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17. Oktober 2016

Ersatzdrogen vom Hausarzt – wohnortnahe Substitution

Die wohnortnahe Substitution, also die Versorgung Drogenabhängiger mit Ersatzsubstanzen wie Methadon oder Buprenorphin, hat das Leben der Betroffenen leichter gemacht. Die kontrollierte Versorgung mit einer Ersatzdroge stabilisiert die Abhängigen und holt sie heraus aus der Kriminalität. Doch es gibt zu wenige Praxen in Rheinland-Pfalz, die Süchtige betreuen. "Dabei lassen sich Suchtpatienten ganz einfach in den Praxisablauf integrieren", sagt Dr. Astrid Weber. Sie betreut in ihrer Hausarztpraxis 50 Betroffene. KV-TV hat die engagierte Ärztin besucht.

Service

Lesefassung

Dr. Astrid Weber | Internistin: Wir kennen sie alle vom Gesicht. Sie kommen, dann gucken wir, welche Dosis, liegt irgendetwas an, muss irgendetwas besprochen werden. Müssen wir eine Urinkontrolle machen? Da haben wir aber Listen. Die haben wir vorne extra schon liegen. Das kann man ja auch nicht alles im Kopf haben. Dann kriegt er seine Dosis und dann kann er gehen. Oder, wenn es ein Take-home-Patient ist, sprich, der kommt einmal die Woche in die Praxis, der muss das vor unseren Augen nehmen, damit wir uns auch überzeugen, dass er die Dosis nimmt. Nicht, dass er die Hälfte nimmt und die andere Hälfte verkauft, und dann kriegt er ein Rezept, weil das Medikament mitgeben dürfen wir nicht, und dann holt er sich seine sechs Tage unten in der Apotheke.

Christine Schmitz | MFA und Substitutionsassistentin: Rezept ist in der Tüte drin. Wie gewohnt bitte unter die Zunge legen. 15 Patienten kommen jeden Tag. Der Rest kommt als take-home entweder Montag, Dienstag oder Mittwoch. Das Buprenorphin, der Wirkstoff mit zwei Milligramm. Die haben alle eine Sicherheitsöffnung. Und zwar ist die hier vorne, das ist quasi die Kindersicherung. Und dann müssen sie das ganz feste reißen und dann kommt die Tablette raus. Und die geben wir dem Patienten dann auf die Hand und der Patient muss beispielsweise diese Buprenorphin-Sachen alle unter die Zunge legen und die schmelzen da.

Dr. Astrid Weber | Internistin: Polamidon, Methadon kann man eigentlich so ein bisschen gleichsetzen. Dann gibt es noch Buprenorphin, das macht nicht so müde und hat auch nicht so viele Nebenwirkungen. Nur manche Patienten trauen sich das nicht zu und dann will ich die auch nicht überreden, das zu nehmen, sondern dann würde ich entweder Methadon oder Polamidon nehmen.

Christine Schmitz | MFA und Substitutionsassistentin: Die Substitutionsmittel sind im Safe verpackt. Die kommen morgens raus und die sind eigentlich schon fix und fertig in diesen Döschen drin. Also jeder Patient hat hier seinen Namen und da sind auch die Substitutionsmittel drin. Das ist für uns sehr wichtig, da wir ja auch immer abgleichen müssen, weil wir in der Kladde auch dokumentieren müssen. Er hat jetzt zwei Milligramm bekommen, abstreichen, so und so viel ist noch da. Das ist ganz einfach, klare Buchführung, und es ist noch nie irgendwas schiefgegangen.

Dr. Astrid Weber | Internistin: Es ist vor allen Dingen administrativ und bürokratisch sehr aufwendig. Wir müssen alles dokumentieren, im Grunde doppelt dokumentieren. Wir müssen es bei uns in der Patientenakte dokumentieren, wir haben noch BDM, also Betäubungsmittelbögen, die dokumentiert werden müssen, wir haben den Save. Wir müssen gucken, welcher Patient darf das Rezept mitbekommen, weil Tabletten dürfen wir ja nicht mitgeben. Welcher Patient kommt jeden Tag? Da haben wir extra Listen bei uns im Büro hängen. Also administrativ ist es schon recht aufwendig. Von den Patienten her, die meisten kenne ich jetzt seit über zehn Jahren, da passiert auch nicht jeden Tag etwas Neues, sondern da kenne ich die Geschichte. Da muss ich nicht jedes Mal neu drüber nachdenken, was ist denn jetzt mit dem Patienten. Ich mache das jetzt seit 14 Jahren in der Praxis, am Anfang hatte ich drei Patienten, einfach um da reinzuschnuppern, das langsam aufzubauen. Ich würde nie mit 50 jetzt anfangen. Man kriegt ja auch etwas zurück von den Patienten, die sind ja auch dankbar. Und am Anfang würde ich dann auch eher Leute nehmen, die take-home-fähig sind, die sozial integriert sind. Ich würde nicht direkt mit denen anfangen, die alkoholisiert ankommen und Beigebrauch haben. Auch die brauchen natürlich irgendwo einen Platz, die würde ich aber erstmal einem Spezialisten überlassen. Aber wenn man da langsam reinwächst, kann das eine sehr befriedigende Arbeit sein, glaube ich. Wenn sie nichts von mir hören, sind die Laborwerte in Ordnung. Ansonsten würde ich mich melden. Wir machen dann nächste Woche mit der normalen Dosis wieder weiter.

Christine Schmitz | MFA und Substitutionsassistentin: Urinkontrollen machen wir natürlich. Und zwar so, wie uns das gerade gefällt. Wir legen natürlich keine Zeiten fest. Das ist klar, sonst könnten sich die Patienten vorbereiten. Sie bereiten sich vor, sie haben immer etwas in der Hosentasche oder sonst irgendwo, da müssen wir höllisch aufpassen. Vieles machen wir unter Sicht. Die Patienten, die bekannt sind, werden unter Sicht kontrolliert. Da gehen wir mit. Das kennen sie, sind sie gewohnt. Wenn da natürlich diese Dinge nicht eingehalten werden, wird natürlich wiederrufen. Das macht die Frau Dr. dann, ganz klar. Wenn wir merken, da ist eine UK positiv, dann gibt es ein Gespräch bei Frau Dr. Weber und kein Take-home, täglich kommen. Die flüssigen Vergaben, die sind ja in diesen Fläschchen. Ich mach‘ es jetzt nicht auf, weil die eine Kindersicherung haben. Da drückt man einfach drauf und dann drehen. Dann schütten wir die Substanz in einen leeren Becher und der Patient füllt sich das mit Wasser auf, wenn er möchte. Es gibt auch Patienten, die trinken das direkt aus dem Becher raus. Und dann dürfen sie im Prinzip gehen.

Dr. Astrid Weber | Internistin: Man begleitet sie sehr lange und ich freue mich dann, wenn irgendetwas gut läuft. Wir haben einige, die haben Kinder bekommen, einen neuen Job bekommen oder wie auch immer. Natürlich gibt es auch negative Sachen: Jobverlust oder Tot eines Elternteils oder wie auch immer. Aber es ist schon eine enge Bindung. Bisher war es ja immer so, und so steht es auch eigentlich in der Bundeskammerärzterichtlinie, das Ziel ist die Abstinenz. Wenn ich das als Erfolgsziel nehmen würde, hätten wir keinen Erfolg. Es gibt aber neue Leitlinien von der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin, jetzt bestimmt schon seit drei Jahren, da haben wir eine neue Zieldefinition, natürlich wäre Abstinenz schön, aber wichtig ist, dass der Patient beigebrauchsfrei ist, seine Gesundheit stabilisiert und auch sozial reintegriert wird. Wenn wir das als Ziel nehmen, und ich für mich persönlich nehme das als Ziel, haben wir sehr guten Erfolg. Unsere Patienten sind zwar weiterhin in der Substitutionsbehandlung, aber sie haben Familie, sie gehen arbeiten. Oder natürlich haben wir auch Leute, die nicht arbeiten gehen, die eben Harz IV beziehen, aber sie können ihr Leben leben und es geht ihnen einigermaßen. Die wenigstens haben häufig Beigebrauch, die meistens bei uns sind stabil.

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